Störerhaftung des Sharehosters bei durch Dritte begangenen Urheberrechtsverletzungen

Geistiges Eigentum

Verantwortlichkeit des Sharehosters bei Urheberrechtsverletzung Dritter?

Der Bundesgerichtshof hat in der Frage entschieden, inwieweit ein Sharehoster oder ein File-Hosting-Dienst (Sprachweise des BGH) für das öffentliche Zugänglichmachen von urheberrechtlich geschützten Werken durch die Hosting-Plattform haftet (Entscheidung vom 15.08.2013 – Az. I ZR 80/12 – File-Hosting-Dienst).

Dies ist eine rechtlich durchaus spannende Frage:

Denn auf der einen Seite gibt es Anbieter, welche – vereinfacht gesprochen – nur Speicherplatz „in der cloud“ anbieten, auf welche ein Nutzer beliebige Dateien hochladen kann, einen Link auf diese Datei erzeugen und diesen Link dann anderen Personen weitergeben kann. So kann jeder recht effizient z.B. seine selbst gedrehten Urlaubsvideos oder -fotos anderen Teilnehmern oder anderen interessierten Leuten weitergeben. Rechtlich ist dies ja recht unproblematisch, denn Urheber der hochgeladenen Werke bin ich selbst. Gebe ich den Link darüber hinaus nicht weiter, habe ich letztendlich nicht einmal ein öffentliches Zugänglichmachen. Typische Vertreter sind hier die dropbox oder andere – ich nenne es „personalisierte“ Cloud-Dienste. In der Regel kann ich hier auch für „meine“ Cloud gegen Entgelt noch mehr Speicherplatz erwerben. Die Inhalte können aber ohne größere Schwierigkeiten mit dem Uploader in Verbindung gebracht werden.

Auf der anderen Seite gibt es eine Vielzahl von Diensten, welche die Möglichkeit eines Uploads und eines Verteilen der Inhalte über eine Bekanntgabe der Downloadlinks zwar auch bieten, der Upload aber vollkommen anonym stattfindet – also nicht etwa über eine „personalisierte Cloud“ stattfindet. Hier besteht oftmals auch die Besonderheit, dass sich diese Dienste nicht über den „Verkauf von Speicherplatz“ finanzieren, sondern über „Premiumzugänge“ in Form einer schnelleren Download-Geschwindigkeit oder ohne Restriktionen hinsichtlich der Anzahl der hoch- oder heruntergeladenen Dateien. Im Gegensatz zu den „personalisierten“ Cloud-Diensten besteht hier von Seiten des Betreibers ein großes Eigeninteresse an „spannenden Inhalten“, die auf die eigenen Server hochgeladen werden. Denn – es liegt auf der Hand: Je „interessanter“ der downloadbare Content, desto häufiger verkauft das Unternehmen schnelle Downloadmöglichkeiten in Form von „Premiumzugängen“. Aus diesem Grund „belohnt“ der Sharehoster den Uploader, dessen Inhalte häufig geladen und aufgerufen werden, mit Punkten, welche ab einer bestimmten Anzahl zu einer Auszahlung von Geld führt. Entsprechende Downloadlinks sind häufig auf bestimmten – vom Sharehoster unabhängigen – Portalen zu finden, welche quasi für das hochgeladene Werk werben. In vielen Fällen scheinen gerade neuste Kino-Blockbuster oder sonstige aktuell „angesagte“ Medien für die meisten Downloads zu sorgen, weshalb es wohl nahe liegt, dass Nutzer wohl (auch) solche urheberrechtlich geschützten Werke auf eine Hostingplattform hochladen.

Differenzierte Betrachtung der Sharehosting-Dienste durch den BGH

Meines Erachtens differenziert der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung sehr fein zwischen diesen verschiedenen Modellen und ermöglicht so weiterhin den Betrieb von Cloud-Diensten oder Filehosting-Plattformen, ohne deren Prüfungspflicht zu überspannen. Anbieter, welche auf das Konzept mit kostenpflichtigen „Premiumzugängen“ setzen und nach meinem Dafürhalten damit indirekt von der urheberrechtswidrigen Verbreitung von Werken partizipieren, dürfte das (rechtliche) Leben auf deutschem Boden bzw. im Geltungsbereich deutschen Rechts zukünftig schwerer werden – sofern diese Dienste in Deutschland oder im EU-Raum überhaupt noch angesiedelt sind.

RA Steinle, LL.M., Fachanwalt für IT-Recht, Externer Datenschutzbeauftragter (IHK), Karlsruhe

Anbei die Pressemitteilung des BGH:

Pflicht zur Kontrolle durch File-Hosting Dienst

Ein File-Hosting-Dienst ist zu einer umfassenden regelmäßigen Kontrolle der Linksammlungen verpflichtet, die auf seinen Dienst verweisen, wenn er durch sein Geschäftsmodell Urheberrechtsverletzungen in erheblichem Umfang Vorschub leistet. Das hat der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in einem Urteil vom 15. August entschieden, dessen Entscheidungsgründe heute veröffentlicht worden sind.

Sachverhalt des Urteils des BGH

Die Klägerin ist die GEMA, die als Verwertungsgesellschaft die Verwertungsrechte von Musikurhebern (Komponisten und Textdichtern) wahrnimmt. Die Beklagte betreibt einen File-Hosting-Dienst; sie stellt unter der Internetadresse www.rapidshare.com Speicherplatz im Internet zur Verfügung. Die Nutzer des Dienstes können eigene Dateien auf der Internetseite der Beklagten hochladen, die dann auf deren Servern abgespeichert werden. Dem Nutzer wird ein Link übermittelt, mit dem die abgelegte Datei aufgerufen werden kann. Die Beklagte kennt weder den Inhalt der hochgeladenen Dateien, noch hält sie ein Inhaltsverzeichnis der Dateien vor. Spezielle Suchmaschinen (sog. „Linksammlungen“) gestatten aber, nach bestimmten Dateien auf den Servern der Beklagten zu suchen.

Die Klägerin macht geltend, 4.815 im Einzelnen bezeichnete Musikwerke seien ohne ihre Zustimmung über den Dienst der Beklagten öffentlich zugänglich gemacht worden und könnten dort heruntergeladen werden. Die Klägerin sieht darin eine Urheberrechtsverletzung und verlangt von der Beklagten Unterlassung.

Die Klage war in beiden Vorinstanzen erfolgreich. Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Soweit das Berufungsgericht auch ein Mitglied des Verwaltungsrats und einen früheren Geschäftsführer der Beklagten zur Unterlassung verurteilt hatte, hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil wegen fehlender Feststellungen zur Verantwortlichkeit dieser Personen für die Urheberrechtsverletzungen aufgehoben.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof hatte bereits im vergangenen Jahr entschieden, dass File-Hosting-Dienste für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer als Störer auf Unterlassung haften, wenn sie nach einem Hinweis auf eine klare Urheberrechtsverletzung die ihnen obliegenden Prüfungspflichten nicht einhalten und es deswegen zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt (Urteil vom 12. Juli 2012 – I ZR 18/11, BGHZ 194, 339 – Alone in the Dark; siehe Pressemitteilung vom 13. Juli 2012, Nr. 114/2012). Bei der Konkretisierung dieser Prüfungspflichten ist davon auszugehen, dass das Geschäftsmodell der Beklagten nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegt ist. Denn es gibt für ihren Dienst zahlreiche legale und übliche Nutzungsmöglichkeiten. Im vorliegenden Fall hat indessen das Berufungsgericht festgestellt, dass die Beklagte die Gefahr einer urheberrechtsverletzenden Nutzung ihres Dienstes durch eigene Maßnahmen gefördert hat. Daraus hat der Bundesgerichtshof eine gegenüber der Entscheidung „Alone in the Dark“ (BGHZ 194, 339 Rn. 25 ff.) verschärfte Haftung der Beklagten abgeleitet.

Anders als andere Dienste etwa im Bereich des „Cloud Computing“ verlangt die Beklagte kein Entgelt für die Bereitstellung von Speicherplatz. Sie erzielt ihre Umsätze nur durch den Verkauf sog. Premium-Konten. Die damit verbundenen Komfortmerkmale führen dazu, dass die Beklagte ihre Umsätze gerade durch massenhafte Downloads erhöht, für die vor allem zum rechtswidrigen Herunterladen bereitstehende Dateien mit geschützten Inhalten attraktiv sind. Diese Attraktivität für illegale Nutzungen wird durch die Möglichkeit gesteigert, den Dienst der Beklagten anonym in Anspruch zu nehmen. Die Beklagte geht selbst von einer Missbrauchsquote von 5 bis 6% aus, was bei einem täglichen Upload-Volumen von 500.000 Dateien ca. 30.000 urheberrechtsverletzenden Nutzungshandlungen entspricht.

Bei der Bestimmung des Umfangs der Prüfpflichten ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung ihres Dienstes durch eigene Maßnahmen fördert. Ist die Beklagte auf konkrete Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer hinsichtlich bestimmter Werke hingewiesen worden, so ist sie deshalb nicht nur verpflichtet, das konkrete Angebot unverzüglich zu sperren; sie muss darüber hinaus fortlaufend alle einschlägigen Linksammlungen darauf überprüfen, ob sie Links auf Dateien mit den entsprechenden Musikwerken enthalten, die auf den Servern der Beklagten gespeichert sind. Die Beklagte hat über allgemeine Suchmaschinen wie Google, Facebook oder Twitter mit geeigneten Suchanfragen und ggf. auch unter Einsatz von sog. Webcrawlern zu ermitteln, ob sich für die konkret zu überprüfenden Werke Hinweise auf weitere rechtsverletzende Links zu ihrem Dienst finden. Diese Prüfpflichten bestehen im selben Umfang für jedes Werk, hinsichtlich dessen die Beklagte auf eine klare Verletzung hingewiesen worden ist. Die Prüfpflichten werden nicht dadurch geringer, dass die Beklagte auf eine große Zahl von Rechtsverletzungen – im Streitfall auf die Verletzung der Rechte an mehr als 4.800 Musikwerken – hingewiesen worden ist. Denn der urheberrechtliche Schutz darf nicht dadurch geschwächt werden, dass es im Rahmen eines an sich zulässigen Geschäftsmodells zu einer großen Zahl von Rechtsverletzungen kommt.

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteilen vom selben Tag auch in zwei Parallelverfahren entsprechende Entscheidungen getroffen. Im Verfahren I ZR 79/12 hatten sich die Verlage de Gruyter und Campus dagegen gewandt, dass trotz entsprechender Hinweise auch weiterhin Bücher ihres Verlages bei der Beklagten heruntergeladen werden konnten. Im Verfahren I ZR 85/12 hatte sich der Senator Filmverleih dagegen gewandt, dass über den Dienst der Beklagten trotz eines Hinweises der Film „Der Vorleser“ bei RapidShare heruntergeladen werden konnte.

Urteil vom 15. August 2013 – I ZR 80/12 – File-Hosting-Dienst

Vorinstanzen:
OLG Hamburg – Urteil vom 14. März 2012 – 5 U 87/09, MMR 2012, 393
LG Hamburg – Urteil vom 12. Juni 2009 – 310 O 93/08, ZUM 2009, 863

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 3.09.2013