Die Sekundärnutzung von urheberrechtlich geschützten Textvorlagen

Fachanwalt Rechtsanwalt UrheberrechtEine sog. Sekundärnutzung findet dann statt, wenn z.B. bestimmtes Textmaterial zusammengefaßt und wiedergegeben wird und den Leser über den wesentlichen Inhalt des Originaltextes informiert. Gerade im Internet stößt man häufig auf Sekundärnutzungen. Klassisches Beispiel ist der vom LG Frankfurt am 23.11.2006 (Az. 2-03 O 172/06) gewürdigte Sachverhalt, bei dem es um die Zusammenfassung und Wiedergabe von Literaturkritiken einer großen deutschen Zeitung (man beachte den Ort des Gerichts) ging. Diese selbst angefertigten Zusammenfassungen waren dann an verschiedene Internet-Buchhändler verkauft worden.

Die Klage der Zeitung scheiterte, da das Gericht im Anfertigen und Verbreiten der Kurzfassungen (sog. Abstracts) der urheberrechtlich geschützten Vorlagen weder eine Urheber- noch eine Wettbewerbsverletzung erblickte.

Da das originale Textmaterial nicht 1:1 übernommen wurde, fehlt es an einem Eingriff in die urheberrechtlichen Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte nach §§ 16, 17 Urheberrechtsgesetz (UrhG). Die Übernahme von einzelnen Wörtern, Sätzen oder Satzteilen ist unschädlich, da sich nicht ausreichend Raum für die Entfaltung von Individualität bieten.

Es handele sich vorliegend um eine gem. § 12 Abs. 2 UrhG zulässige Inhaltsmitteilung. Hierunter ist eine solche Darstellung zu verstehen, die den Leser über das Werk unterrichtet, ohne seine Lektüre, Anhörung oder Betrachtung zu ersetzen. Nach Veröffentlichung des Originaltextes dürfe jedermann den Inhalt des Werks öffentlich mitteilen oder beschreiben, ohne den Urheber fragen zu müssen.

Vorliegend war das Gericht der Auffassung, daß die Abstracts die Lektüre des Originaltextes weder teilweise noch ganz ersetzen. Vielmehr ist das LG Frankfurt der Ansicht, daß „jemand, der sich die Zeit nimmt, Rezensionen zu einem bestimmten Werk zu lesen, ihm interessant erscheinende Kritiken noch einmal im Original nachliest, welche sich naturgemäß wesentlich detaillierter und tiefgründiger mit dem rezensierten Werk auseinander setzen.“

Ob diese Entscheidung im Einzelfall vom LG Frankfurt richtig gewürdigt wurde, wird das OLG Frankfurt in der Berufungsentscheidung noch festzustellen haben.

Wichtig ist diese Entscheidung nicht nur für den Internetbuchhandel, sondern auch für Meinungsforen, Weblogs oder Web2.0-Plattformen. Oftmals sind hier 1:1-Wiedergaben von urheberrechtlich geschütztem Textmaterial zu finden. Unter Umständen – das wird die Berufungsentscheidung genauer aufzeigen – kann (unabhängig von dem sog. urheberrechlichen Zitatrecht) das Anfertigen einer Inhaltszusammenfassung des bereits veröffentlichten Originalbeitrags zulässig sein.

(RA Steinle, LL.M., Fachanwalt für IT-Recht, Externer Datenschutzbeauftragter (IHK), Karlsruhe)